„Die Künstlerin, die sich kümmert“, Katarina Jensen, hatte seit der Jahrtausendwende einen Blick auf das Haus in der Schönenfelder Straße 33 geworfen. Seit 2018 wohnt sie dort
„Als ich in den Nullerjahren täglich an dem schönen Haus vorbeifuhr – von der Hövelpromenade, durch den Modersohnstieg zum Altersheim Maxi Kolbe“, berichtet Katarina Jensen, „beobachtete ich eine zunehmende Verwahrlosung des Hauses. Zwei Wohnungen standen leer“. Sie informierte die Eigentümerin, die SAGA Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg, über ihre Befürchtung, dass der Leerstand die Bausubstanz schädige. Es brauchte mehrere Versuche, aber schließlich gelangte ihre Post auf den richtigen Schreibtisch bei der SAGA und sie wurde zur „Künstlerin, die sich kümmert“.
Damals dachte sie noch nicht daran, dort einzuziehen, sondern es ging ihr um den Erhalt des Hauses. Als sie dann aber 2017 eine Erdgeschosswohnung suchte, bot sich die Möglichkeit, in die renovierte Wohnung im rechten Teil des Hauses einzuziehen. In dem heißen Extremsommer 2018 genoss sie dann das Glück, vom heißen Dachgeschoss von Auf der Höhe in das kühle Erdgeschoss des alten Bauernhauses in der Schönenfelder Straße 33 gezogen zu sein. Aber das Haus verfiel weiter und Katarina Jensen und die Nachbar*innen kämpften weiter um seinen Erhalt. Darüber berichtete die Hamburger Morgenpost 2020.
Die SAGA stoppte den Verfall
Tatsächlich tat sich danach etwas: Das Dach wurde ausgebessert, Maler strichen die Fenster. Und nun im Frühjahr 2023 ließ die SAGA sogar das komplette Reetdach neu decken. Darüber wollten WIR berichten und auch den Wilhelmsburger*innen mehr über das Haus erzählen. WIR kontaktierten Oliver Menk von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen und erfuhren, dass er bereits wegen des Hauses in Kontakt mit dem Denkmalschutzamt war. Von dort erfuhren wir dann, dass im August diesen Jahres der Bauforscher Erhard Preßler und sein Team im Auftrag von Jens Kotte und Dr. Jörg Seifert vom Denkmalschutzamt mehrere Proben zur dendrochronologischen Altersbestimmung (Datierungsmethode anhand der Jahresringe des Holzes) des Hauses entnommen hatten.
Wie die beiden Herren vom Amt dem WIR bei einer erneuten Besichtigung des Hauses am 17. Oktober 2023 bestätigten, haben die Untersuchungen ergeben, dass die Jahreszahl 1690 in der Inschrift auf der Obergeschoss-Schwelle mit dem Alter der meisten Proben übereinstimmt. Ein Balken über der Tür ist sogar noch älter, aber da wurde wohl ein Abbruchbalken aus einem älteren Haus verbaut, wie es durchaus üblich war. Das gilt auch für ein weiteres Haus auf Wilhelmsburg, das gemäß der Beprobung älter sein könnte. Dazu berichtet Jens Kotte: „Das Haus ist allerdings in schlechtem Zustand und mehrfach verändert. Es könnte z. B. auch sein, dass jenes, möglicherweise noch ältere Haus tatsächlich jünger ist, aber aus mehreren älteren, von Abbruchhäusern wiederverwendeten Holzbauteilen zusammengesetzt ist. Wir haben Bauteile aus verschiedenen Zeiten am Haus gefunden. Dazu müssen wir noch weiter forschen …“
Das Haus in der Schönenfelder Straße 33
Jörg Seifert beschreibt es so: „Das Haus stand ursprünglich wahrscheinlich mit seinem Giebel zum Deich (giebelständiges Wohnwirtschaftsgebäude, so ist es hier in der Region eher üblich: Vorn zum Deich der Wohnteil und hinten ein großer Wirtschaftsteil mit einer Diele mittig längsgerichtet, die mit einem Fuhrwerk befahren werden konnte. Links und rechts davon die Pferde- und Kuhställe und das sogenannte Flett – ein offener Raum, quer durch das ganze Haus zwischen Diele und Wohnteil mit einer offenen Feuerstelle (ohne Kamin, man spricht vom sogenannten ‚Rauchhaus‘) und mit einem großen Esstisch für die Bauersfamilie und die Bediensteten. Die Mägde und Knechte schliefen in kleinen Butzen oder Kammern neben den Ställen. Ursprünglich war das Haus Schönenfelder Straße wohl auch längsgerichtet. Es hat aber offenbar später, 1690, seitliche Anbauten bekommen und hatte deshalb einen T-förmigen Grundriss. Durch Kriegsschäden ist aber der rückwärtige Wirtschaftsteil, von dem wir leider keine Reste mehr gefunden haben, verloren gegangen. Heute ist nur noch der quergerichtete, vordere Teil erhalten, während an der Rückseite nach dem Krieg ein Notgiebel hochgemauert wurde.
Der westliche Teil des Hauses ist zweigeschossig ausgebaut. Das ist sehr selten. Dadurch wirkt das Haus besonders repäsentativ und hat an der Westseite – zur Straßenecke, Deichkurve – somit einen weiteren Giebel. Zum Hof, 1608 im Besitz eines Tieke Bey, später Clasenscher Hof, gehörten 19 Hektar Land.“
Hintergrund der Forschungen ist der Plan, eine Denkmaltopographie für Wilhelmsburg zu erstellen, die Jörg Seifert vorbereitet.