Im vergangenen März wurde das Kriegerdenkmal an der Emmauskirche in Richtung der Stolpersteine vor dem Leipelt-Haus gegenüber gedreht. Die geplante in die Straße eingelassene Linie zwischen Denkmal und Stolpersteinen wurde von den Behörden mit unterschiedlichen Argumenten bisher verhindert
Das Kriegerdenkmal von 1932 war lange Jahre neben der Emmauskirche in Büschen verborgen. Ende 2017 war es bei Bauarbeiten wieder aufgetaucht und wurde aus Denkmalschutzgründen an seinen alten Standort an der Mannesallee am Rande des jetzigen Kita-Geländes gesetzt. Nach der Besprühung mit einem antifaschistischen Graffito wurde es mit einem Holzverschlag umhüllt und blieb so bis zum letzten Frühjahr (WIR 5/18). Eine Initiative aus Vertreter*innen der Reiherstieggemeinde, der Wilhelmsburger Geschichtswerkstatt und engagierten Bürger*innen hat in den letzten fünf Jahren in einem „DENKmal-Prozess” zur Geschichte des Denkmals geforscht und diskutiert, wie dessen nationalistische und militaristische Botschaft aus heutiger kritischer Sicht „gebrochen“ werden kann. Der Diskussionsprozess wurde öffentlich dokumentiert, unter anderem in der Broschüre „Das Kreuz mit dem Denkmal”. Ergebnis war der Beschluss, das Denkmal mit einer „künstlerischen Intervention” kritisch zu kommentieren. (Der WIR hat regelmäßig berichtet.)
Einen von der Gruppe ausgeschriebenen Wettbewerb gewann das Künstler*innenduo Vera Drebusch und Reto Buser mit einem Konzept für eine Installation, das eine Drehung des Denkmals und eine optische Verbindung zu den Stolpersteinen vor dem Leipelt-Haus gegenüber vorsah. Das Projekt wird von der Behörde für Kultur und Medien, vom Bezirk Hamburg-Mitte und der privaten Liebelt-Stiftung mit insgesamt 50.000 Euro gefördert.
Erster Schritt der Intervention: Das Denkmal wird gedreht
Als erster Schritt dieser Installation wurde das Denkmal im vergangenen März in einer spektakulären Aktion in Anwesenheit von Presse und Fernsehen vom Sockel gehoben und um 90 Grad gedreht (WIR 17.4.23). „Die ursprüngliche militaristische Botschaft des Denkmals”, heißt es in der Beschreibung des Projekts, „wird durch die neue Blickrichtung mit den Opfern dieser Gedankenwelt konfrontiert”. Hans Leipelt wurde als Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose” 1943 hingerichtet.
Mit einer in die Straße eingelassenen Linie, die als ein Kernelement die Verbindung zwischen Denkmal und Stolperstein optisch betont, und mit Schriften auf dem Boden, die zum Nachdenken anregen, sollte die Installation im zweiten Schritt vollendet werden. Dazu kam es aber bis heute nicht.
Die Vollendung der Installation und das Wegegesetz
Seit fast einem Jahr verhandelt Vera Drebusch vom Künstler*innenduo Drebusch und Buser mit dem dafür offenbar zuständigen „Veranstaltungsservice” des Bezirksamtes Hamburg-Mitte über diese quer über die Fahrbahn verlaufende Linie. Die im Entwurf vorgesehene Grasnarbe, heißt es in der Antwort auf den Antrag für die „Sondernutzung” der Straße, würde die „Beschaffenheit des Straßenbelags maßgeblich verändern”. Es könnten Gefahrensituationen entstehen, wenn Verkehrsteilnehmende sich auf der Straße aufhielten, um die Umsetzung zu betrachten. Die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs” nach §19 Abs.1 Nr.1 des Hamburgischen Wegegesetzes sei nicht gewährleistet. Und das in das Verfahren eingebundene Polizeikommissariat (PK44) lehnte jede Beschriftung von Gehwegen und Fahrbahnen aus „straßenverkehrsbehördlicher Sicht” ab. Wohlgemerkt, auf diesem Abschnitt der Mannesallee gibt es praktisch nur Anliegerverkehr.
Drei im Anschluss daran immer wieder überarbeitete Anträge wurden mit jeweils nachgereichten Begründungen abgelehnt und weitere Änderungen gefordert. So wurde auch einer grünen Linie mit thermoplastischer Markierung nicht zugestimmt und einmal auch generell das Aufreißen der Straße wieder infrage gestellt. Zudem wollte das Denkmalschutzamt, das in den ganzen Prozess eigentlich eingebunden war, auf Nachfrage des Veranstaltungsservice die Einrichtung eines kleinen Lehrgartens um das Denkmal, der von den Kindern der angrenzenden Kita gepflegt werden sollte, nicht genehmigen.
Ein Fall für „extra 3″?
Bei einigen Passagen der Ablehnungsmails gewann man den Eindruck, es ginge nicht um die künstlerische Auseinandersetzung mit einem historischen Gedenkort, sondern um die Genehmigung für einen Würstchenstand beim Straßenfest oder für eine Pflastermalaktion. So wurde Vera Drebusch darauf verwiesen, sie könne sich für die Aufbringung der Linie gern eine private Fläche suchen. Oder es wurde als Genehmigungsvoraussetzung genannt, dass die Linie „nach Ablauf der Sondernutzung” wieder entfernt werde. Das Ganze zog sich inklusive Sommerpause bis zum Oktober hin. Mitte September mailte Vera Drebusch nach dem dritten überarbeiteten Antrag: „Haben Sie schon Neuigkeiten zu unserem Antrag? Wir möchten unbedingt anfangen, die Arbeit umzusetzen.”
Nach einem informellen Gespräch mit Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer Ende Oktober über dieses Dilemma landete der „Vorgang” schließlich im Dezember im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel. Dort wurde der Antrag auf der Sitzung vom 20. Dezember auf die nächste Sitzung am 30. Januar vertagt, weil es noch Klärungsbedarf gebe und weitere Unterlagen eingeholt werden sollten. Ein Mitglied der Denkmalgruppe meinte, das Verfahren sei langsam ein Fall für die Satiresendung „extra 3″.
Die militaristische Botschaft brechen
Aber abgesehen davon, dass die Fertigstellung der Installation langsam zur traurigen Posse gerät: Die Freilegung des Kriegerdenkmals und die antifaschistische Sprühaktion fand vor sechs Jahren statt. Die Idee, mit einer kritischen Installation die militaristische Botschaft des Denkmals zu brechen, hatte damals vor allem einen historischen Bezug. Dass die Idee heute in Deutschland, wo Kriegstüchtigkeit wieder eine Tugend sein soll, ein Veteranentag eingerichtet wird und der Verteidigungsminister der beliebteste Politiker ist, brandaktuell werden würde, konnte damals keiner ahnen. Die Vollendung der Installation von Vera Drebusch und Reto Buser, sollte nicht am §19 Abs.1 Nr.1 des Hamburgischen Wegegesetzes scheitern.
Bei allem Unverständnis über die Reaktion der Stadt setzt meine Frage schon vorher an: wenn solch ein Entwurf ausgewählt und prämiert wird, hätte es dann nicht zuvor geklärt werden müssen, ob das so umsetzbar ist? Hätten nicht auch die Künstler:innen selbst mit ihrem Entwurf auch die Realisation prüfen müssen? So, wie das Denkmal jetzt da steht: eingezäunt, gedreht inmitten wild wucherndem Grünzeug und mit Graffito besprüht sieht es einfach nur furchtbar aus. Und niemand versteht es! Ich bin da neulich mit meiner Tochter vorbeigegangen und die rief ziemlich entsetzt aus: das ist ja nur gedreht? Mein Mann, Hildebrand Henatsch, hat das Denkmal immer dezent zuwachsen lassen, was natürlich letztlich kein Lösung war. Aber das hier ist es leider auch nicht und die Zeit vergeht…..
Marion Frère
In der Neustadt gibt es seit Jahren den sogenannten Hummel Bummel. Dies ist eine rote Linie die sich durch den gesamten Stadtteil zieht und alle Gedenktafeln im Stadtteil miteinander verbindet. Die Gastronomen in der südlichen Neustadt und in St. Georg dürfen mit fetter blauer Farbe, die nie wieder abgeht, ihre diversen Sommerterrassen markieren. Das Ablehnen der oben genannten Verbindungslinie kann man nur als Dummheit oder Willkür diverser Behörden bezeichnen. Es ist ein Witz und Extra drei sollte sich dem tatsächlich mal annehmen.