Keine gute Geschichte

In ihrem Roman „Keine gute Geschichte“ erzählt die Autorin Lisa Reu vom Großwerden im „sozialen Brennpunkt“ und mangelnden Aufstiegschancen

„Keine gute Geschichte“ ist Depressionsgeschichte und Milieustudie in einem. In ihrem Debütroman erzählt Lisa Roy temporeich und konsequent vom Aufwachsen im Brennpunkt Ruhrgebiet.

In Katernberg, dem Vorort-Ghetto nordöstlich von Essen, gibt es nur Ruhrgebietstristesse. Struktur geben höchstens die Fernsehprogramme der Privatsender. Aus dieser Gegend stammt die Protagonistin des Romans, Arielle Freytag. Inzwischen hat sie den Aufstieg zur Mitarbeiterin einer Social-Media-Agentur im schicken Düsseldorf eigentlich geschafft. Doch glücklich ist sie nicht.

Sie ist Anfang dreißig – schön, sexversessen und suizidal. Lisa Roy hat eine außergewöhnliche Protagonistin geschaffen, ganz und gar keine Sympathieträgerin, dafür ist sie zu cool, zu unnahbar und destruktiv. Ihre Kindheit hat sie emotional abstumpfen lassen. Ihren Vater kennt sie nicht. Ihre Mutter verschwindet, da ist sie sechs Jahre alt. Sie wächst bei ihrer erstaunlich gefühlskalten Hippie-Oma auf und die braucht jetzt Unterstützung.

Arielle kehrt widerwillig in die Heimat zurück. Dort werden aktuell zwei Mädchen vermisst. Das triggert Arielle. Sie muss sich unfreiwillig ihrer Vergangenheit stellen und geht auf die Suche nach der eigenen Identität und der Wahrheit. Was ist damals wirklich mit ihrer Mutter passiert? Wo sind die beiden Mädchen? Und was weiß die spleenige Oma?

Der ganze Text ist als Ansprache an die abwesende Mutter verfasst. Durch das direkte Adressieren der Mutter wird der Text zu einer Art Selbstvergewisserung Arielles. Das erzählt Lisa Roy treffsicher und psychologisch glaubhaft. Dabei nimmt sie eine interessante Perspektive ein. Eine, die die sozialen Abgründe in Brennpunkt-Gebieten mal nicht mit Blick auf Familien mit sogenanntem Migrationshintergrund zeigt, sondern mit Blick auf die deutsch gelesenen Kinder, die Kevins, Chantals und Arielles und ihre kaum vorhandenen Möglichkeiten eines gesellschaftlichen Aufstiegs.

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