In öffentlichen Stellungnahmen und mit einer Online-Petition protestieren die Wilhelmsburger*innen gegen die Schließung des Krankenhauses Groß-Sand

Ende Mai kündigte das Erzbistum Hamburg die Schließung des Krankenhauses Groß-Sand an und sorgte damit für Schlagzeilen in der Hamburger Presse. Mehrere Wilhelmsburger Ärzt*innen und der Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg (ZEW) protestieren seitdem in öffentlichen Erklärungen gegen die Schließung. Hans Martin Wismar, Arzt in Groß-Sand, hat eine Online-Petition gestartet, die bisher rund 9.000 (bei Redaktionsschluss) Menschen unterzeichnet haben.
Schließung der Chirurgie zum 15. Juli 2025
Die Abwicklung des Krankenhauses soll nach der Pressemitteilung des Erzbistums in mehreren Schritten vor sich gehen: Zum 15. Juli werden die Chirurgie und die zentrale Notaufnahme geschlossen, 2026 sollen die Geriatrie und die neurologische Frührehabilitation an das Marienkrankenhaus nach Hohenfelde verlegt werden. Die Stadt Hamburg will laut dieser Mitteilung dem Erzbistum die Gebäude und das Grundstück in Wilhelmsburg abkaufen und an dieser Stelle eine „Stadtteilklinik“ bauen.
Die Elbinsel ohne Notfallversorgung
Kern des Protestes ist, dass Wilhelmsburg mit der Schließung des Krankenhauses die stationäre Grund- und Notfallversorgung verliert. In der Stellungnahme des ZEW heißt es: „Damit wird es in Wilhelmsburg in wenigen Wochen keine Notaufnahme und keine Chirurgie mehr geben. In Wilhelmsburg und auf der Veddel leben ca 60.000 Menschen. Schon jetzt gibt es keine chirurgische Praxis und keine Durchgangs-Ärzt*innen auf den Elbinseln. Ab dem 15. Juli ist auch KEIN Notfallröntgen und KEINE Anlaufstelle für irgendwelche Notfälle für die Bevölkerung und die zahllosen umliegenden Betriebe und im Hafen mehr da“.
Ein Rettungswagenfahrer benennt in der Presse deutlich, dass es eine Frage von Leben und Tod sein kann, ob ein Rettungswagen eine Klinik in fünf Minuten oder in 15 bis 30 Minuten erreicht.
Die „Stadtteilklinik“

Was das von den Koalitionsparteien angekündigte „Gesamtkonzept für die Notfallversorgung“ beinhaltet, ist noch völlig unklar. Die angekündigte „Stadtteilklinik“ im Rahmen des Projekts „Statamed“ (Stationäre Allgemeinmedizin) für „Kurzzeitlieger“ ist jedenfalls kein Notfallkrankenhaus. Unabhängig davon wird es voraussichtlich Jahre dauern, bis diese neu gebaute Klinik in Betrieb gehen kann.
Leidtragende sind auch die Beschäftigten des Krankenhauses. In einem Schreiben an die Mitarbeiter*innen heißt es lapidar: „Von der Umstrukturierung werden von 550 Arbeitsplätzen voraussichtlich rund 40 betroffen sein … Gleichzeitig entstehen neue Beschäftigungsperspektiven – sowohl … künftig am Marienkrankenhaus als auch in der neu entstehenden Stadtteilklinik …“
Schließung mit Ansage
Das Aus für Groß-Sand ist eine Schließung mit Ansage. Schon vor fünf Jahren, im Sommer 2020, kündigte das Erzbistum die Schließung des Krankenhauses und der angeschlossenen Pflegeschule an. Damals wurde erstmals öffentlich, dass das Erzbistum das Krankenhaus aus Unfähigkeit und Ignoranz über Jahre heruntergewirtschaftet und die Einrichtung verkommen lassen hatte. Das Erzbistum verhandelte in der Folge vier Jahre lang erfolglos mit verschiedenen Trägern über den Verkauf von Groß-Sand und zwei weiteren Krankenhäusern des Erzbistums. Begleitet wurde dieser Prozess, der weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfand, von einer Lenkungsgruppe aus Vertreter*innen der Behörde, der Krankenkassen und des Erzbistums. Im Juni 2024 wurde das Scheitern der Verkaufsverhandlungen bekannt gegeben.
Erfolglose Proteste

Auch 2020 gab es schon wochenlange öffentliche Proteste (S. 4) gegen die Pläne des Erzbistums mit Demonstrationen in Wilhelmsburg und vor dem Rathaus und mit einer von 10.000 Menschen unterzeichneten Petition. Besonders engagierten sich die Auszubildenden und die Beschäftigten der dann zum 10. Oktober 2020 geschlossenen Pflegeschule. Die Argumente für die Notwendigkeit eines Krankenhaues waren dieselben wie in der aktuellen Diskussion. Insbesondere die Bedeutung einer wohnortnahen Notfallstation wurde auch damals ins Feld geführt. Am Ende blieben die Proteste 2020 erfolglos und das Ergebnis sehen wir heute.
Auf Transparenten und in Artikeln wurde nebenbei auch der Widerspruch zwischen dem Selbstbild des katholischen Krankenhauses als „christliche Insel der Menschlichkeit“ und dem rüden Umgang mit den Beschäftigten und den Auszubildenden angemerkt. (So wie aktuell Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher daran erinnert wird, dass er doch auch Arzt sei.)
Die Krise der kleinen Krankenhäuser
Es wurde in der Diskussion aber auch damals schon darauf hingewiesen, dass die Pleite von Groß-Sand keine Besonderheit einer schlecht geführten katholischen Klinik sei, sondern Teil der Krise aller kleinen Krankenhäuser. Auf einer Veranstaltung vom Bündnis Groß Sand bleibt stellte Axel Hopfmann vom Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus die Entwicklung der Krankenhäuser von „Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens“ in den 70er Jahren bis zur Einführung der „diagnosebezogenen Fallpauschale“ 2004 dar, nach der die Patient*innen zu „Fällen“ und Gesundheit zu „Ware“ wurden. „Eine komplizierte Entbindung ist zum Beispiel nicht so lukrativ wie ein Kaiserschnitt“, sagte Hopfmann, „und eine Wirbelsäulen-OP rechnet sich gut.“ Mit Notfall- und Basisversorgung in einem kleinen 220-Betten-Haus lasse sich aber auf der Grundlage der „diagnosebezogenen Fallpauschale“ schlecht planen.
Gesundheit ist keine Ware – Die Stadt in der Verantwortung
Vor diesem Hintergrund wurde 2020 und wird auch in den aktuellen Protesten die Stadt in die Verantwortung genommen. In einem Kommentar im WIR 9/20, S. 5 hieß es: „… Gesundheit ist keine Ware … Die Vorstellung von einer ,profitablen Gesundheitswirtschaft‘ muss vom Tisch …“.
Der Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg fordert in seiner aktuellen Stellungnahme die Stadt auf, in das kommende Bieterverfahren für die „Stadtteilklinik“ aktiv einzugreifen und „mit einer städtischen Trägerschaft dem Haus wieder auf die Beine zu helfen und damit den Versorgungsauftrag der Stadt für die stationäre Grundversorgung und die medizinische Notfallversorgung in dem größten Hamburger Stadtteil“ sicherzustellen.
SPD-Veranstaltung zu Groß-Sand
Am DIenstag, 24. Juni, findet im AWO-Seniorentreff, Rotenhäuser Wettern 5, eine SPD-Veranstaltung zum Thema Groß-Sand statt. Unter dem Titel „Groß-Sand-Perspektive“ will Sozialsentorin Melanie Schlotzhauer über die Pläne des Senats zur medizinischen Versorgung in Wilhelmsburg diskutieren. Die Veranstaltung ist öffentlich. Der Eintritt ist frei.
Online-Petition unter: https://www.change.org/p/gegen-die-schlie%C3%9Fung-des-wilhelmsburger-krankenhauses-ab-juli