Ein Quartier mit wechselvoller Geschichte

HAFEN ARBEITER SIEDLUNG ist die erste umfassende Ausstellung über die Geschichte der Arbeitersiedlung im Wilhelmsburger Osten. Die Ausstellung in der Honigfabrik mit vielen Dokumenten und einem begehbaren Modell eines Siedlungshauses wurde bis Ende September verlängert

Mehrere Monate hat Oliver Menk von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen im östlichen Wilhelmsburg rund um Kirchdorfer Straße und Neuenfelder Straße recherchiert, Dokumente gesammelt, Zeitzeug:innen gesucht und auch ein paar Alltagsgegenstände aus den dreißiger Jahren aufgetrieben. In der Ausstellung HAFEN ARBEITER SIEDLUNG im zweiten Stock der Honigfabrik, die zusammen mit der Grafikstudentin Luca Katharina Sollmann gestaltet wurde, werden jetzt die Ergebnisse dieser Arbeit präsentiert.

Die in der Nazizeit errichtete Arbeitersiedlung ist älteren Wilhelmsburger:innen noch als „Hermann-Göring-Siedlung“ im Gedächtnis. Sie hat aber eine noch längere Vorgeschichte: Schon in den zwanziger Jahren gab es Pläne, neben Mietskasernen für die ständig wachsende Bevölkerung auf der Elbinsel auch Siedlerhäuser mit kleinem Nutzgarten und Kleintierstall zu bauen. Hinzu kam in der Weltwirtschaftskrise das Ziel, mit diesen Vorhaben die Bauwirtschaft anzukurbeln und der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

So bekam die Siedlung diesen Namen

Die Nationalsozialisten übernahmen die bereits 1932 vorliegende Planung und errichteten die Arbeitersiedlung 1934 als soziales Vorzeigemodell. Wilhelmsburg gehörte damals noch zu Preußen und der führende Nazi und Kriegsverbrecher Hermann Göring übernahm als preußischer Ministerpräsident die Patenschaft. So bekam die Siedlung ebenso wie die im Quartier liegende Schule damals diesen Namen. In der Ausstellung wird dokumentiert, nach welchen Kriterien die ersten Siedlerfamilien in Eignungsverfahren ausgewählt wurden. So wurden „Erbgesundheit“ und politische Eignung untersucht und auch nach einer Probezeit die „Siedlungsfähigkeit“ überprüft. Die Siedler erhielten die Häuser dann in Erbpacht oder als Eigentum.

Einschnitte in der Geschichte der Siedlung

Im begehbaren Modell eines Siedlungshauses.
Foto: W. Hopfenmüller

Nach 1945 gab es mehrere Brüche in der Geschichte der Siedlung. Die kriegsbeschädigten Häuser wurden vielfach umgebaut. Es zogen neue Bewohner:innen, unter anderem Flüchtlinge aus dem Osten, ein. Ein großer Einschnitt war die Flutkatastrophe 1962. Nach der Flut verkauften etliche Bewohner:innen der Siedlung ihre Häuser.

Eine weitere Zäsur bildete die Aufhebung des „Reichsheimstättengesetzes“ unter der Kohl-Regierung 1992. Das Gesetz von 1920 sah eine soziale Bindung und eine Einschränkung von Erwerb und Besitz von Wohneigentum vor und galt in der Bundesrepublik noch für Bestandshäuser wie die der Kirchdorfer Siedlung. Zwei Bewohner:innen schildern in einem Dokument, was das Ende des Gesetzes für die Siedler:innen bedeutete: „Als Helmut Kohl das aufgelöst hat, war das auf einmal alles Bauland und hatte natürlich mehr Wert. Vorher war der Grundstückspreis ja noch bei Verkauf vorgeschrieben … 1993 kamen die ganzen Makler wie die Geier …“

In Interviews wie diesem, in vielen Zeitungsartikeln, Fotos und Grafiken wird die wechselvolle Geschichte der HAFEN ARBEITER SIEDLUNG lebendig. Ein besonderer Clou der Ausstellung ist das begehbare Modell eines Siedlungshaus-Erdgeschosses, das mitten im Ausstellungsraum steht. Im Inneren sind neben der Dokumentation an den Wänden kleine Ecken mit Mobiliar und Alltagsgegenständen aus der Anfangszeit der Siedlung eingerichtet.

Ausstellung HAFEN ARBEITER SIEDLUNG

Honigfabrik, Industriestrasse 125-131, 21107 Hamburg, 2. Obergeschoss
Montag, Dienstag und Donnerstag von 12 Uhr bis 17 Uhr
Am Wochenende von 11 Uhr bis 17 Uhr. Gruppen oder Schulklassen können die Ausstellung nach Anmeldung auch außerhalb der regulären Zeiten besichtigen
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Kontakt:
Oliver Menk
Tel. 040/42 10 39 15
Fax. 040/42 10 39 17
Mail: menk.o@honigfabrik.de

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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