60 Jahre ist es her, dass die Flutkatastrophe über Hamburg und insbesondere Wilhelmsburg hereinbrach
Marianne Groß/Sigrun Clausen. Viele ältere Wilhelmsburger:innen erinnern sich immer noch genau an die Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 als die Flut kam. Jetzt, zum sechzigsten Jahrestag, wurde auch auf Wilhelmsburg an vielen Orten und auf viele Arten der Ereignisse gedacht.
In der Bücherhalle Wilhelmsburg fand eine Lesung mit Musik und Fotoshow statt. Die vielstimmige Montage aus Augenzeugenberichten, Zitaten aus Zeitungsartikeln, wissenschaftlichen Forschungsberichten und biografischen Skizzen Beteiligter zeichnete eindrücklich die Vorgänge im Februar 1962 nach, beleuchtete die Voraussetzungen und Folgen des Geschehens. Darüber hinaus zeigte die Bücherhalle während der laufenden Öffnungszeiten auf einem großen Bildschirm neu digitalisierte Sturmflut-Fotos aus Wilhelmsburger Privatbesitz.
Die Bücherhalle Kirchdorf veranstaltete eine literarische Lesung zum Thema, die ebenfalls großen Anklang fand.
Die Honigfabrik gestaltete zusammen mit der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg und Hafen eine Mitmach-Ausstellung mit Zeitzeug:innenberichten, Dokumenten und vielen Bildern von der Flut. Die Geschichtswerkstatt sucht noch Zeitzeug:innen, die einige der Bilder zuordnen können. Auch werden noch Hinweise nach Flutmarken gesucht. Ein Schülerprojekt setzt sich für ihre Erneuerung ein (s. Artikel Flutmarken).
Die Initiative Waldretter Wilhelmsburg, die sich den Erhalt des nach der Flut entstandenen Waldes am Ernst-August-Kanal zum Ziel gesetzt hat, bot einen Rundgang „Auf den Spuren der Vergangenheit in die Gegenwart” an. Die gut 30 Teilnehmer:innen aus unterschiedlichen Ecken Hamburgs trotzten dem „authentischen Wetter” und schritten die Ereignisse der Flutnacht im äußersten Norden Wilhelmsburgs ab. Dabei richteten sie immer wieder den Blick in die Gegenwart, auf Klimawandel und Anstieg der Meeresspiegel, auf den Wilden Wald und seine z. T. 60-jährige Geschichte und auf die Frage nach dem zukünftigen Umgang mit diesem Wald. Auch die Frage nach der symbolischen Bedeutung des Waldes als Flut-Gedenkwald wurde erörtert.
Die zentrale Flut-Gedenkfeier fand am 16. Februar 2022 um 20 Uhr am Deichdenkmal an der Kirchdorfer Straße/Ecke Siedenfelder Weg statt. Alle zehn Jahre nimmt daran der Erste Bürgermeister der Stadt teil. Laut Michael Weinreich, MdB aus Wilhelmsburg und Vorsitzender des Regionalausschusses Wilhelmsburg/Veddel, waren dies 1982 Klaus von Dohnanyi, 1992 Henning Voscherau, 2002 Ole von Beust und 2012 Olaf Scholz.
In diesem Jahr nun Dr. Peter Tschentscher. Er erinnerte daran, dass Wilhelmsburg 1962 besonders schwer getroffen wurde. 222 Menschen starben hier, darunter viele Kinder und ältere Menschen. Die Sturmflut von 1962 habe großes Leid über Hamburg gebracht. Sie habe aber auch gezeigt, dass die Hamburger:innen in der Not zusammenstünden. Die mutigen Retter:innen und die unzähligen Helfer:innen seien ein wichtiger Teil der Erinnerung. Als Folge dieser Ereignisse habe der Senat den Katastrophenschutz neu organisiert und den Hochwasserschutz verbessert.
Weitere Redner:innen waren Gerd Nitsche, 1. Vorsitzender des Museums Elbinsel Wilhelmsburg e. V., und die Pröbstin Carolyn Decke. Gerd Nitsche verwies darauf, dass es auch nach 60 Jahren keinen Ort gebe, an dem die Katastrophe von 1962 dauerhaft dargestellt würde. „Wir vom Museumsverein sind seit zwei Jahren bemüht, einen solchen Ort zu schaffen. Wo, wenn nicht auf der Elbinsel, sollte das nötig sein? Wir haben einige Exponate, viele Bilder, Unterstützung vom NDR und die Räume dafür zur Verfügung. Inzwischen haben wir auch die Zustimmung zur Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde und dem Bezirksamt … Zur Eröffnung 2025 oder 2026 ist natürlich auch der Bürgermeister wieder eingeladen und ganz Hamburg“.