Wohnungen für Alle!

Bewohner:innen und die Gruppe „NINA – womeN IN Action“ haben gegen eine dauerhafte Unterbringung in Sammelunterkünften und für bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen demonstriert

Mehrere Frauen befestigen Transparente an Straßenlaternen. Darauf ist zu lesen: "Wohnungen für Alle, raus aus den Camps!". Im Hintergrund die Fassader der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen.
Zusammen hängen die Frauen und ihre Unterstützer:innen die
Transparente auf. Fotos: J. Domnick

Fröhlich und entschlossen hängten die etwa 20 Frauen und Kinder am vergangenen Mittwoch, den 9. August 2023, Transparente am Gertrud-von-Thaden-Platz direkt neben der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen auf. „Hamburg, ich brauche eine Wohnung von Dir!“, steht auf einem, auf dem anderen „Wohnungen für Alle, raus aus den Camps!“ Sie alle leben derzeit in Erst- und Folgeeinrichtungen für Geflüchtete, seit vielen Monaten, zum Teil aber auch seit 12 Jahren. „Dort gibt es keine Privatsphäre, keine Ruhe, um zu schlafen, Hausaufgaben zu machen oder zu spielen“, berichtet Ute von NINA. „Das ist menschenunwürdig und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.“ Die feministische und antirassistische Gruppe von Frauen und FLINTA* trifft sich jeden zweiten Sonntag im Monat im M1, um sich aktiv und gemeinsam mit den Betroffenen für die Rechte und bessere Lebensbedingungen von Geflüchteten und Migrant:innen einzusetzen.

Menschenunwürdige Zustände

Mit der Demo wollen die Menschen auf ihre Situation in den Camps aufmerksam machen und ihre Forderungen an Senatorin Karen Pein übergeben. Diese ist seit letztem Dezember Präses der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Ute erklärt: „Einige der Bewohner:innen leben in größeren Familien mit vielen Kindern. Die Ämter stellen ihnen keine genügend großen Wohnungen zur Verfügung, aber auch keine kleineren, weil die angeblich zu klein sind. Nur deshalb müssen sie schon seit Jahren auf noch viel engerem Raum in den Lagern leben.“ Eine Frau aus dem Irak pflichtet ihr am offenen Mikrofon bei: „Wir sind sieben Personen und haben zwei Schlafzimmer. Wir sind Menschen, keine Tiere! Wir brauchen eine menschenwürdige Unterkunft für die sichere Zukunft unserer Familien!“

Nasrin bestätigt auf kurdisch und deutsch: „Ich habe zwei Kinder, sie sind 11 und 17 Jahre alt. Ich brauche kein Haus und keine Villa. Nur eine Wohnung.“ Die anderen Demonstrierenden stimmen in ihre gerufene Forderung ein: „Wohnungen für Alle! Raus aus den Camps, rein in die Wohnung!“

Eine Person, deren Kopftuch vom starkeWind verweht wird, spricht in ein Mikrofon. Im Hintergrund die Behörde, im Vordergrund ein Kind im Skelett-Anzug.
„We are not animals!“ Die Frauen und FLINTA* kämpfen für ihre Menschenrechte.

Eine andere Demonstrierende ist verzweifelt ob der Gemeinschafteinrichtungen: „Manchmal können unsere Kindern keine saubere Kleidung für die Schule anziehen, weil wir uns alle eine einzige Waschmaschine teilen müssen oder weil der Waschraum verschlossen ist und uns die Security den Schlüssel nicht gibt“, berichtet sie auf englisch. Außerdem dürften sie den Kindern nicht mal ein Stück Brot auf den Zimmern geben, die gemeinsam genutzen Küchen reichten aber nicht für alle Bewohner:innen. So werden vor allem diese, wie auch die Toiletten zu besonderen Konfliktbereichen.

Senatorin ist nicht im Hause

Bei Sturmböen und peitschendem Regen verteilten die Menschen Flyer an Passant:innen. Doch die Senatorin ließ sich nicht blicken, um den Brief mit den Forderungen der Geflüchteten entgegen zu nehmen. Ute las ihn im Namen der Geflüchteten vor (im Ganzen in der Audio-Datei weiter unten zum Nachhören):

„In vielen Unterkünften werden die Grund- und Menschenrechte der Betroffenen, wie zum Beispiel der Schutz vor Gewalt oder das Recht auf Familienleben nicht gewährleistet. Wenn Menschen über Monate und Jahre hinweg in Sammelunterkünften leben müssen, verhindert das eine gesellschaftliche Teilhabe strukturell. Wir bemühen uns in der Gruppe seit Jahren, auf diesen Missstand aufmerksam zu machen (…) und Wohnungen zu bekommen. Es ist ein Bemühen gegen Windmühlen. Ohne viel Aussicht auf Erfolg, verbunden mit viel Frustration, Gefühlen des Ausgeschlossen-Seins und der Überforderung. Wir wenden uns heute an Sie, weil es für uns so nicht mehr weitergeht. Unsere Kinder und Jugendlichen wachsen hier auf, sie kennen zum Teil gar nichts anderes. Das muss sich sofort ändern! Wir brauchen grundsätzlich einen Politikwechsel: weg von der Abschreckung und hin zu einer wirklichen Willkommenskultur. Darin ist Wohnen zentral. Statt weiter Massenunterkünfte zu schaffen, geht es um Wohnungen für alle.

Eine Person steht mit einem Mikro in der Hand vor der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen.
Ute von NINA trägt die Forderungen der geflüchteten Frauen und FLINTA* vor.
Auf einem großen Transparent steht „Housing for All"
Demonstrierende fordern „Housing for All“.

(…) Die sogenannte „freie“ und Hansestadt Hamburg hat uns – wie Stückgut – in Notunterkünften, Turnhallen, Containerlagern und Logistikhallen untergebracht, wo die meisten von uns seit mehreren Monaten, einige sogar seit Jahren, ohne Aussicht auf menschewürdige Bedingungen ausharren sollen. (…) Das alles muss sich ändern – und zwar sofort! Wir sind hierher gekommen, weil eure Kriege und Krisen in unseren Ländern uns keine andere Wahl gelassen haben. Wir möchten hier in Frieden und mit einer guten Zukunft für uns und unsere Kinder leben.“

Ute von NINA liest die Forderungen der demonstrierenden Geflüchteten vor.

Nach etwa einer Stunde entschloss sich die Gruppe, in die Behörde zu gehen, um der Senatorin ihre Forderungen selber zu überreichen. Allerdings sei Frau Pein (trotz Ankündigung) nicht im Haus, behauptete ein Herr am Empfang, auch eine Vertretung habe sie nicht ernannt. Den Protestierenden blieb nichts anderes übrig, als sich versichern zu lassen, dass Frau Pein den Brief erhalten werde.

Um 16 Uhr versammelten sich die Aktivist:innen erneut, um ihre Forderungen zu verbreiten und die Anwohner:innen zu informieren, diesmal am Stübenplatz. Es wird sicher nicht die letzte Demonstration gewesen sein: Am Vogelhüttendeich ziehen derzeit 600 schutzsuchende Menschen in Container ein (WIR 31.7.23), die in drei Jahren dem Bau der Campusschule weichen müssen. Wo sie dann wohnen sollen, ist auch noch nicht geklärt.

2 Gedanken zu “Wohnungen für Alle!

  1. Wenn man die ueber 10 000 Abgelehnte in Hamburg, bei welchen nach allen Gerichtsinstanzen unsere Gerichte rechtstaatlich festgestellt haben, dass sie ohne echte Grundlage und somit rechtswidrig ihren Asylantrag gestellt haben – was de facto ein Betrug ist – abschieben wuerde, dann haetten Menschen mit tatsaechlichem Asylgrund weniger Wohnungsprobleme. Fuer diejennigen, bei welchen eine Abschiebung angeblich nicht moeglich ist (wo ein Wille ist, ist auch ein Weg), sollte Deutschland allen anderen EU-Laendern von Frankreich bis Daenemark folgen, und saemtliche Leistungen mit dem Gerichtsurteil der letzten Instans sofort einstellen.

    1. „Wo ein Wille ist ist auch ein Weg“ – zynischer kann man über die Leben von Menschen wohl kaum bestimmen. Das Leben der nicht dem Deutschen Recht entsprechenden Menschen hat sich also dem Willen zu Beugen: Dem Willen, der auch gerne mal das Recht selbst beugt. Wenn zum Beispiel erschwert wird, das Menschen von ihrem verbrieften Recht, um Asyl zu bitten, überhaupt Gebrauch machen können, wenn ausgenutzt wird, dass diese Leute weniger sicher in der Sprache sind und man sie mit Bergen an Papier zuschmeisst, bis sie sich nicht mehr wehren können.
      Zu gerne wird vergessen, dass um die 70% aller Abschiebungen rechtlich unhaltbar sind und der Deutsche Staat eben erst mal pauschal versucht, rauszubekommen, wen man evtl. abschienem kann, ohne große Gegenwehr zu erzeugen, um den rassistischen Willen der Mehrheit umzusetzen! Denn auch wenn öffentlich immer wieder so getan wird, als wären das alles Straftäter oder „Sozialgeldabgreifer“ ist es doch eben so, dass die Leute auch oft mit Arbeitplatz und Integration abgeschoben werden – weil ihr ursprünglicher Asylgrund evtl. nicht mehr gegeben ist – trotzdem sind die Leute ein produktiver Teil unserer Gesellscahft und haben ein Recht auf ein normales Leben und Teilhabe – aber nur moralisch, denn das deutsche Recht ist nicht moralisch.

      Und Gartenzwergdeutsche, wie dieser Kommentator hier, verstecken sich hinter dem Recht und schreiben was von einem „Willen der sich schon seinen Weg bahnen wird“ – zur Not über Leichen. Da kann man sich dann auch wieder fragen, in was für ein ekelhaftes Deutschland sich diese Leute denn integrieren sollen.

      Umverteilung von Kapital statt Menschen – das wäre es, was wir brauchen gegen Wohnungsknappheit und alle möglichen anderen Probleme. Aber darüber spricht man hier ja nicht gerne, man kann ja lieber rumhetzen.

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Jenny Domnick

Als freiberufliche Texterin und gesellschafts-politisch aktive Person ist sie viel im Internet unterwegs, unternimmt aber auch gerne Streifzüge am und im Wasser. Wenn's pladdert, müssen ihre Freund*innen als Testesser*innen für ihre Hobby-Kochkünste herhalten.

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