Das Wilhelmsburger Jubiläumsjahr ist vorbei. Zeit, den historischen Verkauf der Elbinseln einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen und einen Blick auf andere Inseldeals zu werfen
Wilhelmsburg
Als ich ein Treffen mit einem Freund in Bergedorf wegen des Jubiläumsfestes am 4. Dezember absagen musste, meinte der: „Was feiert ihr da eigentlich? Das ist ja kein Unabhängigkeitstag oder sowas. Da hat euch doch im Gegenteil einer aufgekauft! Was würdet ihr sagen, wenn heute zum Beispiel René Benko käme … Und was war dieser Herzog überhaupt für eine merkwürdige Figur?” Ich habe ihm natürlich geantwortet, wir nähmen das Datum nur zum Anlass, um unseren bunten, diskussionsfreudigen Stadtteil zu feiern. Aber irgendwie hat der Freund auch nicht ganz unrecht. Genau genommen war Herzog Georg Wilhelm ein reicher, nichtsnutziger Playboy aus Celle, zügelloser Vergnügungssucht ergeben. Er lebte in Venedig, verschacherte seine Verlobte um den Preis des Verzichts auf sein Fürstentum an seinen Bruder und kaufte seiner nicht standesgemäßen Geliebten für 163.770 Taler ein paar Elbinseln, damit sie auch Herzogin werden konnte. Die Leute auf Georgswerder und Rotehaus hat keiner gefragt und sie waren dem Herzog auch sicher herzlich egal. Er hat später so gut wie nie einen Fuß auf seine Elbinseln gesetzt. Die Tochter Sophie-Dorothea wurde bekanntlich auf diese Weise „Stammmutter” des englischen Königshauses, was die Sache aber auch nicht besser macht. Vor der Geschichte mit der „Stammmutter” abgesehen war der Verkauf der Elbinseln an den Herzog weltpolitisch natürlich unbedeutend.
Helgoland
Andere Inselverkäufe in der jüngeren Vergangenheit sind dagegen eine größere Nummer in den Geschichtsbüchern. Kolonialmächte haben gern mal mit Inseln gedealt. Mit dem bekannten Helgoland-Sansibar-Tausch 1890 zum Beispiel sollten die Gebiets- und Hoheitsansprüche im kolonialisierten Afrika zwischen England und dem Deutschen Reich geregelt werden. In diesem Zusammenhang tauschte Kaiser Wilhelm II. die englische Insel Helgoland gegen Sansibar im Indischen Ozean. Wobei die Insel Sansibar gar keine deutsche Kolonie war, sondern ein freies Sultanat. Es war aber deutsches „Interessengebiet”. Auch die Inselbewohner:innen wurden nicht gefragt. Nach Berichten der Geheimdienste(!) wollten die Helgoländer:innen keine Deutschen werden. Sie wurden im ersten Weltkrieg dann auch als unsichere Kandidat:innen von der Insel deportiert. Die weitere wechselvolle Geschichte Helgolands ist bekannt.
Grönland
Allerjüngstes Beispiel ist Grönland. Durch den Klimawandel werden die großen Bodenschätze der Insel zugänglich, die Nordwestpassage wird eisfrei. Das weckt die wirtschaftlichen und strategischen Begehrlichkeiten der Großmächte. Da war es für Donald Trump 2019 eine selbstverständliche Idee, Grönland von Dänemark zu kaufen – Onkel Dagobert lässt grüßen. Die Insel sei für Dänemark sowieso nur eine Belastung, für die USA hingegen von großer Bedeutung. Außerdem sei es doch nichts weiter als ein großes Immobiliengeschäft. Trumps Idee wurde weltweit als „Aprilscherz” beziehungsweise als unverschämtes Ansinnen aufgenommen. Die dänische Ministerpräsidentin beschied ihn: Grönland sei natürlich nicht zu verkaufen. Die Insel „gehöre” Dänemark im übrigen auch gar nicht, sondern sei ein autonomer, selbstverwalteter Teilstaat des dänischen Reiches. Und ein grönländischer Politiker meinte: Die 56.000 Grönländer:innen seien für Trump offenbar „nichts als eine Handelsware”. Trump – „so redet man nicht mit dem US-Präsidenten” – sagte daraufhin einen geplanten Besuch in Dänemark beleidigt ab und das „Geschäft” kam nicht zustande. Der zunehmende Machtkampf der Großmächte um die Arktis lässt allerdings befürchten, dass das letzte Wort über Grönland noch nicht gesprochen ist. Und das mit René Benko sollten wir auch nicht auf die leichte Schulter nehmen.