Pegelstand Groß-Sand: Absichtserklärung

Mitten in die Vorbereitungen zum länger geplanten Pegelstand zu den Perspektiven des Wilhelmsburger Krankenhauses kam die Pressemeldung von Groß-Sand über die „Verhandlungen im Zeichen der Ökumene“. Die evangelische „Immanuel Albertinen Diakonie“ und die „St. Franziskus-Stiftung Münster“ sind interessiert an der Übernahme von Groß-Sand im Verbund mit dem Marienkrankenhaus und dem Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg und dem Marienkrankenhaus in Lübeck. Zunächst gibt es aber nur einen „letter of in intent“ – eine Absichtserklärung. Was am Ende daraus wird, ist völlig offen

Drücken für die Verhandlungen die Daumen: v. l. Deniz Celik (DIE LINKE), Claudia Loss (SPD), Uwe Schneider (CDU), Linus Lünemann ( GRÜNE). Foto: H. Kahle

Es war der erste Live-Pegelstand nach langer Corona-Pause, eine gemeinsame Veranstaltung von der Aktion Groß-Sand bleibt, dem Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg und der Ver.di Betriebsgruppe Groß-Sand.
Rund 70 Besucher:innen waren es im großen Saal des Bürgerhauses – mit Registrierung und Abstand zwischen den Sitzen. Das Thema Groß-Sand hat nichts von seiner Brisanz eingebüßt. Die eingeladenen Vertreter der Behörde und des Erzbistums hatten abgesagt. Auf dem Podium begrüßte Moderator Hartmut Sauer fachkundige Vertreter:innen aus dem Stadtteil und die gesundheitspolitischen Sprecher:innen der Parteien: Claudia Loss (SPD), Linus Lünemann ( GRÜNE), Uwe Schneider (CDU) und Deniz Celik (DIE LINKE). Schon das erste Statement der Parteienvertreter:innen zeigte ein zentrales Problem der gegenwärtigen Situation. Auf die Frage nach dem Stand der Übernahmeverhandlungen mussten alle vier eingestehen, sie wüssten es auch nicht. „Wir freuen uns, dass es ein gemeinnütziger Träger ist und drücken für die Verhandlungen die Daumen“, sagte Uwe Schneider. In der Pressemitteilung des Bistums wird dann auch die gegenseitige Vereinbarung der Partner, keine Auskünfte zu erteilen, ausdrücklich erwähnt.

Sechs Forderungen

Manuel Humburg wies in seinem Statement daraufhin, dass das Erzbistum seit dem Frühjahr einen großen Schritt nach vorn gemacht habe. Durch die Übernahme der Pensionslasten durch das Erzbistum sei das Haus auch für gemeinnützige Träger wieder interessant geworden. Und die „Immanuel Albertinen Diakonie“ habe einen guten Ruf. Aber noch sei „die Kuh nicht vom Eis“. Es sei ja z. B. nicht auszuschließen, dass der neue Träger das Marienkrankenhaus als Sahnestück aus dem Paket herausnehme und Groß-Sand nur die Geriatrie bliebe und zum „Gesundheitskiosk“ werde. Er stellte dann sechs Forderungen an den neuen Träger auf, u.a. den Erhalt und Ausbau des Hauses und den Neustart der Pflegeschule (s. u. Kasten).
Dr. Settgast von der Wilhelmsburger Ärzteschaft wies in seinem Beitrag auf die jetzt schon bestehende Unterversorgung in Wilhelmsburg hin, und dass Groß-Sand mit 450 Mitarbeiter:innen einer der größten Arbeitgeber auf den Elbinseln ist. Margret Fischer von der Mitarbeitervertretung des Krankenhauses untermauerte in ihrem Beitrag mit einigen Zahlen eindrücklich die Bedeutung von Groß-Sand für Wilhelmsburg und den Hafen. So hätten sie in den Jahren 2018 und 2019 19 2.000 Arbeitsunfälle und 10.000 Notfälle gehabt und 1.000 Seeleute behandelt. 2.500 Fälle hätten sie stationär aufgenommen. Kranke Kinder und gynäkologische Fälle müssten mangels entsprechender Abteilungen abgewiesen werden. Groß-Sand müsste also nicht geschlossen sondern ausgebaut werden. Wie ihre Kollegin Rosemarie Schubert wies sie daraufhin, dass in der unsicheren Situation des Hauses schon etliche Mitarbeiter:innen gekündigt hätten und für die Bleibenden die Arbeit dann um so mehr geworden sei. Und ein Ende sei nicht in Sicht. Nach ihrer Kenntnis würden die Verhandlungen mit dem neuen Träger nicht vor Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Und wahrscheinlich dauere es noch länger.

Daseinsvorsorge oder Wirtschaftsbetrieb

Bei allen Bekenntnissen zur Notwendigkeit eines Stadtteilkrankenhauses dämpften die Politiker:innen die Erwartungen. Deniz Celik sagte, ein Krankenhaus diene in erster Linie der Daseinsvorsorge und sei kein Wirtschaftsbetrieb. Daher sei die Stadt in der Verantwortung. Der Vorschlag seiner Partei zur Übernahme von Groß-Sand durch dass UKE hätte der Stadt auch mehr Einflussnahme ermöglicht. Und er forderte – gerade auch angesichts der der staatlichen Millionenhilfen für Hapag Lloyd und die Modefirma Tom Taylor während der Corona-Krise – Millioneninvestitionen für die Weiterentwicklung von Groß-Sand. Man könne sich doch parteienübergreifend auf die sechs Forderungen, die Manuel Humburg aufgestellt hat, verständigen.
Dem mochten sich die gesundheitspolitischen Sprecher:innen der anderen Parteien nicht anschließen. Claudia Loss meinte, die Finanzprobleme des Hauses hätten vor allem mit der schlechten Geschäftsführung zu tun und mit der Patientenstruktur in Wilhelmsburg. Außerdem müsse man Groß-Sand wirtschaftlich so aufstellen, dass das Haus auch in zehn Jahren noch bestehen könne. Linus Lünemann gab den Ball an den zukünftigen Träger weiter. Er habe Sympathie für die UKE-Idee. Aber das habe das UKE finanziell nicht bewältigen können. Und bei zukünftigen Investitionen müsse der neue Träger erst einmal sagen, wofür diese eingesetzt werden sollten. Uwe Schneider betonte, er als Christ finde, das Handeln des Erzbistums habe bisher nichts mit Nächstenliebe zu tun. Auf die Forderung nach Transparenz der Verhandlungen und der Beteiligung der Mitarbeiter:innen daran fügte er dann aber hinzu, dies seien privatrechtliche Verhandlungen wie bei einem Hauskauf, und die seien eben vertraulich. Und auch Claudia Loss bekräftigte gegen den Unmut des Publikums, dass die komplizierte Krankenhausplanung vor allem eine Sache von Fachleuten sei und die Erweiterung des Kreises die Verhandlungen eher noch in die Länge ziehen würde. Erst wenn der Vertrag fertig sei, könne man breiter darüber diskutieren. Hartmut Sauer bedauerte dann, dass Frau Loss, die ja selbst Krankenschwester in Groß-Sand sei, nun die Kritik an der abwesenden Gesundheitssenatorin einstecken müsse.

Feier beim nächsten Pegelstand?

Angesichts des unsicheren Ausgangs dieser „Verhandlungen im Zeichen der Ökumene“ erinnerte Harald Humburg, Aktion Groß-Sand bleibt, noch einmal an den vielfachen Protest in Wilhelmsburg gegen die geplante Schließung des Krankenhauses im letzten Jahr. Wenn die Übernahmeverhandlungen zu keinem guten Ergebnis führten, würde der Stadtteil das nicht hinnehmen. Und Tomas Kosiol, Ver.di-Vertrauensmann in Groß-Sand, verwies in diesem Zusammenhang auf die gemeinsamen Interessen der tausenden Beschäftigten der zukünftigen großen Krankenhausgruppe und freute sich, dass Mitarbeitervertreter:innen vom Marienkrankenhaus und dem Kinderkrankenhaus Wilelmstift an dieser Pegelstand-Veranstaltung teilnahmen.
Moderator Hartmut Sauer drückte zum Schluss die Hoffnung aus, dass auf dem nächsten Groß-Sand-Pegelstand der Fortbestand und die Weiterentwicklung des Wilhelmsburger Krankenhauses gefeiert werden könne.

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Hermann Kahle

Hermann Kahle schreibt über Kultur, Schule und für den Kaffeepott

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