Durchhalten

Ästhetik mit Sinn

Ja, ich vermisse unseren alten gedruckten WIR. Ich vermisse unser angegrautes Druckerzeugnis mit den begrenzten Seiten, den drei Spalten und den schwarz-weissen Bildern. Diese seltsame Ästhetik, DIN-A-4-Format, großes Titelbild und drinnen gern mal eine kleine Bleiwüste, mensch wusste nie so recht: Zeitung oder Zeitschrift? Es war alles dazwischen. WIR eben. Unverwechselbar und eigen, außen wie innen!

Zu dieser Eigenheit müssen WIR im Netz erst noch finden.

Eines aber ist mir diesmal besonders positiv beim Online-Zeitung-Machen aufgefallen: Dass wir Bilder verwenden können, so groß und so viele, wie wir wollen – und in Farbe. Denn bei manchen Bildern kommt es wirklich genau darauf an! Zum Beispiel bei Bildern von politische Aktionen. Jene werden zunehmend durchgeführt, um gute Bilder zu erzeugen, die auf das politische Anliegen aufmerksam machen. Da kann es dann entweder um die Dokumentation bestimmter Handlungen gehen (Räumung eines Baumhauses) oder um die Abbildung von etwas Dargestelltem, einer Szenerie, eines optischen Eindrucks.

Letzteres trifft auf unsere Aufmacher-Geschichte, die Regenschirm-Aktion des Bündnisses Verkehrswende Hamburg, zu. Diese Aktion wurde gemacht, um ein eindrückliches Bild des Protests gegen den Bau der A26 Ost zu schaffen. Und das ist gelungen! Die roten Schirme, ich finde, aus der Luft sehen sie aus wie lauter Alarmknöpfe, die, umrahmt von mächtig Grün, den Schriftzug „Stop A 26 Ost” bilden – das ist großartig, leicht verständlich, sichtbar.

Das Bild lässt viele Assoziationen zu. Bei mir zum Beispiel lenken die Perspektive und die Farbigkeit den Blick auf das rahmende Grün – eine nach oben wachsende Wand in unterschiedlichen Schattierungen, hoch aufragend die Bäume am linken oberen Bildrand – gleichzeitig stellt der rote Alarmsatz sofort die Verbindung zur Bedrohung der Natur durch den geplanten Autobahnbau her.

Die Menschen, die sich das ausgedacht haben, müssen wirklich ein super inneres Auge besitzen!

Die Wirkung des Bildes „Stop A26 Ost” wird von seiner Ästhetik hervorgerufen, die aus der Perspektive (Luftaufnahme mit einer Drohne), der Bildgröße und den Farben entsteht. Das hätten wir im gedruckten Graustufen-WIR niemals so wiedergeben können. Wir hätten mit Worten erklären müssen, was doch von Anfang an als Bild gedacht war.

Weil ich in der beruhigenden Gewissheit lebe, dass WIR wortmächtig bleiben und auch online kein Bunte-Bildchen-Magazin werden, kann ich mich über die neuen Bildmöglichkeiten des eWIR richtig freuen. Denn sie tun sich auch für alle Autor:innen, Initiativen und Vereine aus dem Stadtteil auf, die zu unserer Zeitung „von Vielen für Alle“ beitragen.

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Sigrun Clausen

Wenn sie nicht am Nachbarschreibtisch in ihrer Schreibstube arbeitet oder in der Natur herumlungert, sitzt sie meist am Inselrundblick. Von ihm kann sie genauso wenig lassen wie von Wilhelmsburg.

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